»Do you know that you will destroy the music industry?«
Im Juni diesen Jahres ist Karlheinz Brandenburg 70 Jahre alt geworden. Mit seiner Arbeit – und seinem Team am Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen IIS in Erlangen – zeichnet er für einen der größten Forschungserfolge der deutschen Geschichte verantwortlich: Sein Team entwickelte das Musikformat mp3, das die Art, wie Musik gehört und vertrieben wird, für immer veränderte.
Hat er damals die Musikindustrie zerstört, wie der indisch-britische Unternehmer und Internet-Visionär Ricky Adar ihm im Jahr 1994 prophezeite?
Sicher nicht, denn das war auch nicht die Intention, als das Erlanger Fraunhofer-Team Ende der 1980er Jahre auf die Idee kam, Musik in digitaler Form so sehr zu komprimieren, dass sie immer noch den Ansprüchen von Musikliebhabern genügt, aber über ISDN-Leitungen übertragen werden kann.
Doch im Jahr 1992 wurde die Technologie vom Internationalen Standardisierungsgremium MPEG (»Motion Picture Experts Group«) als Audiocodierungsstandard der Ebene 3 (MPEG Audio Layer 3 = mp3) anerkannt. In den folgenden Jahren entwickelte sich das Internet immer mehr zur Kommunikationsinfrastruktur der Massen. Und so wurde auch die Möglichkeit immer beliebter, Musik in Form sehr kompakter Dateien zu speichern, anstatt auf so genannten Tonträgern wie Schallplatten, Kassetten oder CDs. Das führte letztendlich nicht zur Zerstörung der Musikindustrie, aber doch zu einem disruptiven Wandel in der Art, wie Musik konsumiert und vertrieben wird.
Die Entwicklung und die daraus folgende Erfolgsgeschichte ermöglichte es der Fraunhofer-Gesellschaft, für dieses Forschungsfeld ein eigenes Institut in Ilmenau/Thüringen zu eröffnen, das Fraunhofer-Institut für Digitale Medientechnologie IDMT. Brandenburg leitete das Fraunhofer IDMT von 2004 bis 2019. Heute arbeitet das Institut an KI-basierten Klassifizierungsverfahren für Audio- und Videodaten zur verbesserten industriellen Qualitätskontrolle und für Anwendungen im Bereich Rundfunk, Fernsehen und Onlinemedien.
Doch auch nach seiner Pensionierung als Professor der Technischen Universität Ilmenau und seinem Ausscheiden aus der Fraunhofer-Gesellschaft ging Karlheinz Brandenburg nicht in den Ruhestand. Noch 2019 gründete er das Unternehmen »Brandenburg Labs« in Ilmenau, wo er seitdem mit einem jungen internationalen Team an einigen seiner technologischen Visionen für die Audiowiedergabetechnologie arbeitet.
Dazu gehören »immersive Audio-Lösungen«. bei denen das Hören über Kopfhörer nahezu ununterscheidbar von realen Klangumgebungen ist. Doch nicht nur die realitätsnahe Abbildung von Klangkulissen ist das Ziel, sondern ebenso die Erweiterung des menschlichen Hörvermögens mit entsprechenden Technologien, mit Wearables und intuitiven User-Interfaces, bei der mit Klangquellen so interagiert werden kann, dass Töne und Geräusche einzeln ausgeblendet, verstärkt, verschoben oder angepasst werden können.
Im Interview mit Fraunhofer spricht Karlheinz Brandenburg über seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft seines Wirkens.
»Ich will es noch mal wissen!«
Karlheinz Brandenburg im Interview